Das Zweite Kommen Jesu    
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Europa


Was hat Europa mit der Endzeit zu tun? Lassen sich aus der politischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte Rückschlüsse auf Ereignisse ziehen, die in der Bibel erwähnt werden?

Hierzu ist zuerst einmal festzuhalten, dass die Bibel durchaus auch über die weltpolitische Situation am Ende der Zeit Aussagen macht, vergleichbar etwa mit den Stellen über Israel. Die relevanten Texte finden sich vor allem in den Büchern Daniel und Offenbarung. Eine ausführliche und exakte Auslegung ist ebenso wie ein gutes geschichtliches Wissen für ein richtiges Verständnis unerlässlich.

I. Die Aussagen der Bibel


Als Grundlage soll im Folgenden der Blick auf zwei Träume und eine Vision gerichtet werden, die im Buch Daniel festgehalten sind und zwar in den Kapiteln 2, 7 und 8. Bitte lesen Sie zuvor diese Kapitel in Ihrer Bibel in Ruhe nach.

Zunächst nun eine Gegenüberstellung dieser drei „Visionen“:

Tabelle


1. Die ersten drei Weltreiche
a) Die Bibel gibt in Kapitel 8 zwei klare Hinweise:
In Daniel 8,20 wird der Widder als das Medo-Persische Reich (wörtlich als die Könige von Medien und Persien) identifiziert, der Ziegenbock in 8, 21 als das Griechische Reich (wörtlich als der König von Griechenland). Beide Stellen zeigen übrigens, dass der Begriff „König“ nicht nur wortwörtlich, sondern auch in übertragener Bedeutung für das dazugehörige Königreich verwendet werden kann. Weitere Informationen zu den Ereignissen in diesem Kapitel folgen später.

b) Nun zu Kapitel 7. Laut 7,17 symbolisieren die vier Tiere auch hier wiederum Königreiche.
Ein Vergleich der Tiere zeigt, dass es zwischen dem Ziegenbock (der 4 Hörner bekommt) aus Kapitel 8 und dem vierköpfigen und vierflügeligen Panther aus 7,6 offensichtlich eine Entsprechung gibt. Eine Ähnlichkeit in der Symbolik (Verwendung der Zahl 4), die bei keinem der sonstigen Tiere vorkommt. Wenn dies stimmt, so ist anzunehmen, dass dies auch für die jeweils vorausgehenden Tiere, also für den Widder in Kapitel 8 und den Bären aus 7,5, gelten sollte. Tatsächlich gibt es auch hier eine Gemeinsamkeit: Der Widder hat zwei unterschiedlich hohe Hörner, der Bär ist auf einer (!) Seite aufgerichtet. Hierauf aufbauend, wäre in dem Bären ebenfalls ein Symbol für das Medo-Persische Reich, in dem Panther ein Hinweis auf Griechenland zu sehen. Übrigens werden die drei Rippen, die der Bär nach 7,5 im Maul hat, oft als mögliche Andeutung hinsichtlich der vorangegangenen Weltreiche Ägypten, Assyrien, Babylonien verstanden.
Wie gesagt stehen laut 7,17 die Tiere allesamt für Königreiche. Da Daniel diese Vision in der Regierungszeit Belsazars hatte, muss es sich bei dem Löwen (7,4) um das Babylonische Reich handeln, da dieses von Medo-Persien abgelöst wurde (Dan. 6,1).

c) Noch ein Blick auf die Statue in Kapitel 2.
Das goldene Haupt der Statue (2,32) ist laut 2,37.38 das Babylonische Reich (wörtlich König Nebukadnezar). Da nach 2,39.40 die anderen Teile der Statue Reiche sind, die dem seinigen folgen, lassen sie sich mit den bisherigen Informationen als Medo-Persien und Griechenland identifizieren.

d) Zusammenfassung:
Wenn diese Auslegung richtig ist, so handelt es sich bei den drei ersten symbolisierten Königreichen jeweils um

1. Babylon
2. Medo-Persien
3. Griechenland

Alle diese drei Reiche werden zumindest an einer Stelle direkt in der Bibel erwähnt.

e) Bisher wurde die Bedeutung der Symbolik „nur“ anhand der Bibel erklärt; was sagt aber ein Blick in die Geschichte des Altertums?

Interessant ist, dass die historischen Informationen mit unserer Auslegung bis ins Detail übereinstimmen:
Dem Babylonischen Weltreich folgte 539 (Einzug in Babel) das Medo-Persische Reich, welches wiederum 330 mit der griechischen Eroberung zu Ende ging. Die ausgedrückte Zweiteilung des Medo-Persischen Reiches (in dem das Volk der Perser später als die Meder dafür aber umfangreicher zur Macht gelangte), der Hinweis auf den ersten König von Griechenland (Alexander der Große), der das Griechische Weltreich gründete, und darauf, dass es nach seinem Tode 323 in vier verschiedene Nachfolgereiche aufgeteilt wurde, spiegeln sich in den Details der Visionen wieder.

Die Übereinstimmungen und Hinweise in Bibeltext und Geschichte sind so groß, dass die meisten Ausleger obiger Deutung zustimmen. Selbst bibelkritische Exegeten erkennen in der Regel diese Übereinstimmung (und weisen auf eine angebliche „spätere Entstehungszeit“ des Buches hin).


2. Das vierte Reich

Bisher war die Auslegung noch relativ einfach. Die drei Reiche wurden zumindest an einer Stelle (z.B. Dan. 8,20) auch im Klartext erwähnt. Weiterhin war der geschichtliche Ablauf eindeutig nachvollziehbar. Nun wird es jedoch etwas komplizierter. Aus Gründen der besseren Verständlichkeit begannen wir vorhin mit Kapitel 8, also mit der dritten Vision. Dies hilft uns jetzt aber nicht mehr weiter, da in Kapitel 8 das vierte Reich (und auch das erste) nicht enthalten sind.

a) Daniel Kapitel 2:
Drei Punkte müssen jetzt genau beachtet werden:

Erstens, ist hier nur von einem vierten Reich (2,40), nicht von einem fünftem oder folgendem Reich oder ähnlichem die Rede. Das vierte Reich ist das letzte menschliche Weltreich, danach bricht Gottes Herrschaft an.

Zweitens, durchläuft laut Text dieses Reich offensichtlich zwei verschiedene Phasen. Daniel unterscheidet in seiner Beschreibung des Standbildes (2,33) klar zwischen den eisernen Beinen und den eisernen/tönernen Füßen; auch dies ist übrigens eine Bestätigung, dass es sich dennoch um das gleiche Reich handelt, denn im Gegensatz zu den vorherigen (Gold, Silber, Kupfer) gibt es jetzt keine vollständige Materialänderung mehr.

- die 1. Phase wird in 2,40 näher beschrieben:
Hart wie Eisen, zermalmt und zerbricht es alles.

- über die 2. Phase gibt es in den Versen 41, 42 und 43 jeweils folgende Information:
+ geteiltes Reich, doch mit etwas Härte des Eisens
+ teils starkes, teils schwaches Reich
+ freiwillig verbunden, aber nicht fest aneinander haftend

Durch die Zehen wird lediglich ein besonderer Aspekt (dazu unten mehr) ausgedrückt, sie stellen aber keine eigenständige Phase dar, was schon dadurch zum Ausdruck kommt, dass der Stein das Standbild an den Füßen (und nicht etwa speziell an den Zehen) trifft.

Drittens: Gott richtet am Ende der zweiten Phase sein Reich (sichtbar) auf dieser Erde (2,34.35.44.45) auf.

Es ist empfehlenswert, sich die genannten Stellen nochmals gut durchzulesen, da alle weitere Auslegung auf diesen drei Punkten gründet.

Zur Deutung:
Schon in alter Zeit wurde das vierte Reich mit Rom bzw. dem Römischen Reich identifiziert. Dieses Reich folgte dem Griechischen (86 v. Chr. Athen erobert) und war auch das mächtigste der genannten Reiche, dessen Herrschaft Jahrhunderte über den Mittelmeerraum und andere Teile Europas währte. Die Gleichsetzung des letzten Reiches mit Rom wurde als so selbstverständlich genommen, dass die Vorstellung bestand, dass das Ende des Römischen Reiches nichts anderes bedeutet als das Ende der Welt. Ein Gedanke, der uns heute eher seltsam erscheint, da sowohl das Römische Reich wie auch dessen Nachfolger (Byzantinisches Reich, Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation etc.) schon lange untergegangen sind.

Ist die Deutung mit Rom also doch unzutreffend? Nicht, wenn man von den - oben beschriebenen - zwei Phasen ausgeht:
Die erste Phase der machtvollen Herrschaft erfüllte sich bereits mit dem (antiken) Römischen Reich.
Die zweite Phase hat sich dagegen noch nicht erfüllt, da laut Bibel Gott noch während der zweiten Phase sein Reich sichtbar auf dieser Erde aufrichtet. Dies ist selbstverständlich noch nicht geschehen, wenn auch Jesus die Voraussetzungen dafür bereits geschaffen hat. Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein war es noch nicht einmal möglich, auch nur von dem Beginn der zweiten Phase zu sprechen, da die letzten Jahrhunderte (vgl. etwa die beiden Weltkriege) gerade durch die Zersplitterung in einzelne Nationalstaaten und Rivalität und Spannungen zwischen diesen Staaten gekennzeichnet waren, im Zusammenhang mit der zweiten Phase aber ja gerade von einem Reich, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, die Rede ist. Seit dem Niedergang Roms gab es aber kein weltliches Reich mehr, dass eine ähnliche Vormachtstellung in Europa gehabt hätte. Zwar stiegen auch die Nachfolgestaaten Roms teilweise zu beachtlicher Größe auf, doch war deren Macht immer räumlich und/oder zeitlich begrenzt; es gab bisher kein zweites Rom.

Unsere bisherige Geschichte fand nach diesem Verständnis in einer Art „Zwischenzeit“ zwischen der ersten und zweiten Phase statt, die in Daniel 2 nicht ausdrücklich enthalten ist. Manchmal wird dies in der Auslegung als die Zeit des zerfallenen Römischen Reiches bezeichnet. Die alten Ausleger begangen den (verständlichen) Fehler, diesen Einschnitt, diese zwei verschiedene Phasen, zu übersehen und bezogen daher alle Aussagen auf das antike Rom.

Wenn das bis jetzt Gesagte richtig ist, führt das zu einem zunächst unglaublich klingendem Gedanken:
Bevor Gott seine Herrschaft aufrichtet, wird das Römische Reich - wenn auch in veränderter Form - wiedererstehen.
Daniel Kapitel 2 ist nicht die einzige Stelle in dieser Hinsicht. Die weiteren Stellen bestätigen und vertiefen diese Auslegung.


b) Daniel Kapitel 7:
Ohne Zweifel ist das vierte Tier (= viertes Reich), das in Kapitel 7 erwähnt wird, mit dem vierten Reich aus Kapitel 2 identisch; eine weitere Bestätigung, dass in Kapitel 2 ein Reich in verschiedenen Phasen beschrieben wurde, da auch in Kap. 7 nichts von einem (menschlichen) Folgereich erwähnt wird.
Die Identität ergibt sich aus
- der beschriebenen Reihenfolge der Reiche
- der Übereinstimmung in der Beschreibung (vgl. „eiserne Zähne“ - 7,7; „eiserne Klauen“ - 7,19; „schrecklich und stark, frisst, zermalmt und zertritt“ - 7,7.23 mit den entsprechenden Stellen aus Daniel 2)
- der Tatsache, dass auch hier zu der Zeit dieses Reiches Gottes Gericht stattfindet (7,11.26)

Informationen über dieses vierte Reich aus Daniel 7:
- umfassende Macht (7,7.23)
- 10 Könige werden irgendwann aus diesem Reich hervorgehen (7,24)
- nach ihnen, aber noch zu ihrer Zeit, kommt ein letzter Herrscher (sein in diesem Kapitel beschriebenes Verhalten weist ihn eindeutig als den Antichristen aus), drei Könige werden dadurch erniedrigt (7,24)

Hier zeigt sich übrigens auch die Bedeutung der zehn Zehen und der Worte „zur Zeit dieser Könige“ aus Daniel Kapitel 2. Durch die zehn Zehen wird, wenn dies auch in Kapitel 2 nicht direkt erwähnt wurde, genau dieser Aspekt, nämlich das Herrschen von zehn Königen, ausgedrückt.

Manche sehen in den Hörnern kein Symbol für reale Könige, sondern für einzelne Staaten. Auch wenn dies sicher nicht entscheidend ist, gehe ich davon aus, dass hier Könige/Herrscher im wörtlichen Sinne gemeint sind, denn in Offenbarung 17,12 (wird später noch aufgegriffen) ist eindeutig von wirklichen Königen die Rede, es gibt keinen Grund, hier eine andere Bedeutung zu sehen und das Wort „erniedrigen“ aus Dan. 7,24 scheint auch besser auf Menschen zu passen.

Zum Schluss noch ein interessanter Vergleich mit dem Panther:
Der Panther wurde als sehr mächtig beschrieben und von Anfang an mit vier Flügeln/Köpfen dargestellt, obwohl diese (bezogen auf die tatsächlichen Ereignisse) erst später entstanden und zu ihrer Zeit dies Reich dann auch nicht mehr so mächtig war. Ebenso wurde auch das Tier von Anfang an mit zehn Hörner dargestellt, obwohl auch diese eigentlich erst später entstehen. Zum genauen Zeitpunkt dieses Geschehens, also wie viel Zeit vergeht, bis diese Könige erscheinen, kann keine Aussage gemacht werden.

Zusammenfassend:
In Kapitel 7 ist eine zweite Phase des letzten Reiches nicht so deutlich zu erkennen wie in Daniel Kapitel 2. Allerdings erfahren wir, dass in der zweiten Phase (= wiedererstandenes Römisches Reich) 10 Könige regieren werden. Das Auftreten dieser Herrscher muss zwangsläufig in der (noch unerfüllten) zweiten Phase liegen, da zur Zeit dieser Könige auch der Antichrist erscheint.


c) Nicht nur das Buch Daniel, sondern auch die Offenbarung liefert wertvolle Hinweise auf das vierte Reich.
In der Offenbarung sind es v.a. die Kapitel 13 und 17. Lesen Sie bitte auch diese beiden Kapitel nun in Ihrer Bibel nach.
Wichtig sind für uns im Folgenden insbesondere die Informationen über das letzte Weltreich. Aussagen, die speziell für den Antichristen von Bedeutung sind, werden erst später erläutert.

Kap. 13:
- Tier aus dem Meer mit 10 Hörnern und Kronen und 7 Häuptern (13,1)
- Tier gleicht einem Panther, Füße wie ein Bär, Rachen wie ein Löwe (13,2)
- eines der Häupter ist tödlich verwundet und wird heil (13,3)
- überwindet die Heiligen, bekommt Macht über die ganze Welt (13,7)

Kap. 17:
- 7 Häupter bedeuten 7 Berge und 7 Könige (17,9-11)
- 10 Hörner bedeuten 10 Könige, die ihr Reich noch nicht empfangen haben; sie geben ihre Macht, Kraft und ihr Reich dem Tier (17,12-17)

Zur Identität des Tieres:
Aus den beiden Kapiteln ergibt sich, dass es sich bei diesem Tier zum einen um den Antichristen handelt. Weiterhin symbolisiert das Tier aber auch das dahinter stehende Weltreich, ausgedrückt u.a. durch die zehn Hörner/Kronen. Diese „Doppelbedeutung“ ist uns bereits aus den Danielstellen bekannt (vgl. Dan. 2,38; 8, 21).
Zur Zeit des Tieres richtet Gott seine Herrschaft auf (Off. 19,17-21).
Es dürfte keiner weiteren Erläuterung bedürfen, dass dieses Tier mit dem vierten Reich aus Dan. 2 und 7 identisch ist.

Durch die Offenbarung wird für uns nun manches klarer und deutlicher erkennbar:

- Die zehn Hörner
Die zehn Hörner aus der Offenbarung sind mit den zehn Zehen bzw. Hörnern aus Daniel identisch.
Nun wird deutlich, dass diese Könige dem Antichrist zu seiner Macht verhelfen, indem sie ihr Reich auf ihn übertragen. Das Nebeneinander verschiedener Herrscher stimmt gut mit der Beschreibung der zweiten Phase aus Daniel 2 überein. Das Erlangen der Herrschaft über das wiederhergestellte Römische Reich wird die Machtgrundlage für den Antichristen sein, von der aus er Macht über die ganze Erde gewinnt. Dies wird teilweise auch mit Gewalt (siehe z.B. Dan. 11,40ff.) geschehen.

- Die sieben Häupter
Manche sehen hier Könige oder Regierungsformen aus der Römischen Zeit oder wiederum Weltreiche. Meines Erachtens handelt es sich hier aber eher um eine Zusammenfassung/Symbolisierung heidnischer Herrscher, wie beispielsweise Antiochus IV.

d) Das Römische Reich und die „Lücke“:
Zu dem bisher Gesagten ergeben sich zwei Fragen, die bis jetzt noch nicht erörtert wurden.
Erstens, kann man mit einiger Sicherheit sagen, dass es sich bei dem vierten Reich auch wirklich um das Römische Reich handelt?
Zweitens, wie erklärt sich die offensichtliche Lücke zwischen der ersten und zweiten Phase des Römischen Reiches?  Warum wird über diese Zeit, z.B. über die Rom nachfolgenden Reiche (etwa das Osmanische Reich, Spanien, Napoleon, das Englische Empire usw.) nichts berichtet?

Bevor zu diesen Fragen gekommen wird, noch ein kurzer Blick auf die Geschichte Roms:
Der Überlieferung nach wurde die Stadt Rom 753 v. Chr. gegründet. Nachdem die Vorherrschaft über Italien errungen wurde, begann der Aufstieg zur Großmacht durch den Sieg über Karthago im 1. Punischen Krieg (264-241 v. Chr.). Im 2.Jhdt. nach Christus erreichte das Römische Reich unter Kaiser Trajan seine größte Ausdehnung und umfasste den größten Teil Westeuropas und den Mittelmeerraum. Ab dem 4.Jhdt. wurde das Römische Reich durch innere Krisen und die Völkerwanderung zunehmend geschwächt, bis 476 der letzte Römische Kaiser abgesetzt wurde (das Oströmische Reich hatte bis 1453 Bestand).

Man könnte nun argumentieren, es sei unvorstellbar, dass ausgerechnet das bedeutendste antike Weltreich, das zudem noch so einen großen Einfluss auf Israel und das Christentum gehabt hatte (Verurteilung und Hinrichtung Jesu, Zerstörung Jerusalems und des Tempels 70 n. Chr., Vertreibung der Juden), nicht erwähnt würde, aber es gibt sogar eine (wenn auch indirekte) biblische Erwähnung in diesem Zusammenhang: und zwar in Daniel 9,24-27.

Vieles in diesem Text ist nur schwer zu übersetzen, daher kann auch nicht jedes Detail mit 100%iger Sicherheit ausgelegt werden. Die in unserem Zusammenhang wichtigen Aussagen lassen sich aber rech gut belegen.

i) Siebzig Siebener sind verhängt für die völlige Wiederherstellung Israels (V.24)
ii) Die Frist läuft ab dem Befehl zum Wiederaufbau Jerusalems (V.25)
iii) Nach (insgesamt) 69 Siebenern (7 + 62) wird ein Gesalbter ausgerottet sein, Stadt und Heiligtum werden durch das Volk eines zukünftigen Fürsten zerstört (V.26)
iiii) In der einen (verbleibenden) Woche wird ein Bund mit vielen geschlossen, doch in der Mitte der Woche wird das Opfersystem abgeschafft und im Heiligtum steht ein Gräuelbild der Verwüstung (V.27)

Zu den einzelnen Punkten:

i) „Siebener“ bezeichnet im Hebräischen eine Periode aus sieben Zeiteinheiten; was genau gemeint ist, muss der jeweilige Zusammenhang ergeben.
In Daniel 10,2 („drei Siebener an Tagen“ = 3 Wochen) sind zum Beispiel Tage gemeint. Hier aber, das wird der Zusammenhang ergeben, geht es um Jahre, also 70 * 7 = 490 Jahre. Die in dem Text beschriebene Wiederherstellung Israels ist eine vollständige und endgültige, die bisher noch nicht stattgefunden hat (vgl. Röm. 11,25-27). Die Frist ist also noch nicht beendet.

ii) Hier kommen grundsätzlich mehrere Ereignisse in Betracht:
Nach dem Edikt des Kyrus um 538 kam es zu einer ersten Rückkehr der Juden und der Tempel wurde unter Darius 515 wieder neu geweiht. Der Schriftgelehrte Esra bekam etwa 459 die Erlaubnis, nach Jerusalem zu ziehen und die Stadt zu untersuchen (Esra 7,1). Nehemia bekam schließlich um das Jahr 445 von König Artaxerxes die Genehmigung, Jerusalem (insbesondere die Stadtmauer) wiederaufzubauen (siehe Neh. 2,5.7.8).

iii) Nach 483 Jahren soll ein Gesalbter „ausgerottet“ sein. Wenn man diese Stelle auf Jesu Tod am Kreuz bezieht, kommt man (bei einem „Startpunkt“ von 459 oder 445) in einen Zeitraum, der in etwa passen würde: Jesus starb um das Jahr 30 herum. Für nähere Erläuterungen sei an dieser Stelle allerdings auf das Buch verwiesen.
Die Zerstörung von „Stadt und Heiligtum“ sprechen unstrittig von der Zerstörung des Tempels und Jerusalems durch die Römer, was nach dem „Ausrotten“ stattfinden soll (und so ja auch geschehen ist). Vor diesem Hintergrund erscheint es äußerst unwahrscheinlich, dass mit dem „Gesalbten“ jemand anders als Jesus gemeint sein könnte.

Wichtig sind an dieser Stelle vor allem zwei Sachverhalte:
Erstens werden die Römer (zumindest indirekt) erwähnt, sie sind „das Volk eines zukünftigen Fürsten“, das Jerusalem und den Tempel zerstörte.
Zweitens sollen diese Ereignisse nach der 69., nicht in der 70. Jahrwoche stattfinden. Denn auch hier gilt: Die bis hierhin genannten Ereignisse haben sich bereits erfüllt, der Rest (die 70. Jahrwoche) noch nicht! Zwischen der 69. und 70. Woche liegt die uns bereits bekannte Lücke.

Durch diese Stellen und durch einen Blick auf den Verlauf der Heilsgeschichte im Großen ist es möglich, Näheres über die Lücke zu sagen. Die 69. Jahrwoche wurde vermutlich mit dem Einzug Jesu in Jerusalem abgeschlossen. Doch Israel nahm ihn nicht als Messias auf. Jesus sagte ganz deutlich (Lk. 19,41ff.), dass hier eine tragische Ablehnung geschah. Folgen wären neben der Zerstörung der Stadt und des Tempels, die Zerstreuung und auch eine gewisse Beiseitestellung (nicht aber Verwerfung!) Israels (Lk. 20,16; Mt. 21,43; Lk. 21,24). Dies deutet auch Paulus im Römerbrief (11,25.26) an. Meiner Meinung nach ist die Lücke durch diese Beiseitestellung Israels begründet, womit die „Zeiten der Heiden“ begannen.
Mit anderen Worten: Die in Daniel enthaltene Darstellung der Weltgeschichte endet mit den Ereignissen der biblischen/antiken Zeit. Erst zu dem Zeitpunkt, an dem die Zeiten der Heiden zu Ende gehen und Israel wieder ganz neu ins Blickfeld rückt, wird die Darstellung wieder eingeblendet. Diese Sichtweise wurde in der Offenbarung beibehalten.

iiii) Die letzte, 70. Jahrwoche hat sich noch nicht erfüllt. In ihr wird ein Bündnis mit vielen geschlossen werden, da es hier um Israels Geschicke geht, muss Israel zwangsläufig an dem Bund beteiligt sein. Hauptinitiator ist „er”, der zukünftige Fürst aus Vers 26. Sein weiteres Verhalten weist ihn als den Antichristen aus. Die Römer werden, wie schon erwähnt, als sein Volk bezeichnet. Zur Hälfte dieser Jahrwoche, also nach rund 3 ½ Jahren, wird der Tempel entweiht (siehe unter „Israel“) und die offenbare Herrschaft des Antichristen beginnt (siehe unter „Der Antichrist“). Vor allem hieran zeigt sich auch, dass die „Siebener“ tatsächlich für Jahre stehen.

Zusammenfassend lässt sich aus Daniel und Offenbarung sagen:
Das Römische Reich wird, wenn auch in veränderter Form, wiedererstehen.
Zu einem bestimmten Zeitpunkt werden in diesem Reich zehn Herrscher gleichzeitig regieren.
Diese geben ihre Macht an einen Herrscher, dieser wird der Antichrist sein.

Diese Auslegung beansprucht keine Vollkommenheit. Für mich erklärt sie aber die einzelnen Bibelstellen in einer nachvollziehbaren Weise und bietet ein geschlossenes Bild.
Auch wenn man nicht in allen Details zustimmt, kommt man an zwei wesentlichen Punkten nicht vorbei:
1. Da Gottes Herrschaft auf der Erde noch nicht offenbar geworden ist, ist auch das vierte Reich noch nicht beendet.
2. In dem vierten Reich etwas anderes zu sehen als das Römische Weltreich ist schwer bis unmöglich, wenn man die Bibeltexte und die Geschichte einbezieht.


II. Rom, Europa und die Welt

Wie wird dieses wiedererstandene Römische Reich aussehen?
Sicher ist keine absolute Übereinstimmung in der geographischen Ausdehnung, Regierungsform etc. mit dem antiken Rom erforderlich. Andererseits ist die Identität aber doch so stark, dass von einem Reich gesprochen wird.
Ein Zusammenschluss aller möglichen Staaten unter dem Dach der UNO zu einer Weltregierung (wie manche Ausleger meinen) würde diese Identität zu dem antiken Rom vermissen lassen. Außerdem - warum muss der Antichrist gegen andere Herrscher und Staaten kämpfen, wie es in Daniel 11,40ff. berichtet wird, wenn doch ohnehin sich alle Länder freiwillig zusammenschließen?
Ich meine daher, dass sich die Erneuerung des Römischen Reiches zumindest anfangs auch in etwa auf die Länder erstreckt/beschränkt, die zu den Nachfolgestaaten des antiken Römischen Reiches gehören. Auf dieser Grundlage aufbauend, gewinnt der Antichrist schließlich Macht über die ganze Erde, teils freiwillig, teils mit Gewalt. Wenn diese Auslegung stimmt, wird früher oder später Europa zum mächtigsten Staatsgebilde der Welt werden und Amerika in seiner jetzigen Führungsposition ablösen.

Interessant ist, dass nach dem 2.Weltkrieg in Europa eine Entwicklung einsetzte, die einmalig in der Geschichte ist und die es so noch nie gegeben hat: Das friedliche Zusammenwachsen der europäischen Staaten.

1951 wurde durch Deutschland, Frankreich, Italien und die Benelux-Staaten die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) gegründet, 1957 durch die sog. „Römischen Verträge“ (!) die Europäische Atomgemeinschaft (EAG) und Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Zehn Jahre später fusionierten diese drei Gemeinschaften zur EG, der Vorläufer der heutigen EU. Es kann in diesem Rahmen nicht ausführlich auf die weiteren Entwicklungen eingegangen werden, nur so viel: Mittlerweile ist die EU (Stand 2015) ein Staatenverbund mit über 500 Millionen Einwohnern und 28 Mitgliedsstaaten.

Die heutigen europäischen Staaten sind zu einem großen Teil Erben des einstigen Römischen Reiches (vgl. z.B. „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation“). Versuche, eine gewaltsame Einigung herbeizuführen, scheiterten immer wieder. Bis weit in unser Jahrhundert hinein wäre eine solche Entwicklung, wie wir sie jetzt erleben, undenkbar gewesen. Viel zu groß waren die Differenzen zwischen den einzelnen Nationalstaaten und deren Bestreben nach größtmöglicher Unabhängigkeit. Erst die beiden Weltkriege, der politische Druck durch außereuropäische Großmächte und der wirtschaftliche Druck gerade durch asiatische Länder, haben die meisten europäischen Staaten zu der Erkenntnis geführt, dass nur ein vereintes Europa Frieden und Sicherheit zusammen mit wirtschaftlicher Stärke garantieren kann.

Das sich abzeichnende Europa würde in vielem mit der Beschreibung aus Daniel übereinstimmen:
- geteiltes Reich (ein „Reich“, welches aus vielen einzelnen Mitgliedsstaaten besteht, doch aber ein Reich ist)
- teils stark, teils schwach (mit teilweise schwachen, teilweise starken Mitgliedsstaaten, sowie Stärken und Schwächen in der Organisation des Reiches)
- freiwillig verbunden, aber nicht fest aneinander haftend (die einzelnen Staaten verbinden sich zu einem Reich, gehen aber nicht völlig darin auf)
Auch das gleichzeitige Regieren mehrerer Herrscher würde gut in das biblische Bild passen.

Man könnte mit Recht von einem wiedergeherstellten Römischen Reich sprechen.

Es geht hier selbstverständlich nicht darum, das Zusammenfinden Europas grundsätzlich zu verteufeln oder gar einem Nationalismus das Wort zu reden. Allerdings sollten wir die genannten Bibelstellen im Hinterkopf behalten und sehr genau beobachten, „wohin die Reise geht“.

 
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